Satire, transfeindlichkeit
Bin positive überrascht das deutsche Satire es hinbekommt bei trans Menschen mal in die richtige Richtung zu treten https://www.ardmediathek.de/video/extra-3/wokeness-queerness-gender-und-trans-leitfaden-fuer-konservative-kulturkaempfer-mit-oliver-kalkofe/daserste/Y3JpZDovL25kci5kZS8zMWE2MjU3Zi0yMTEyLTRiYmYtYmRiZC1jYjllN2ViZTUxYjA
Besonders der Anfang ist ziemlich gut, ab dem Typen im komischen Kostüm wirds etwas naja, aber das ist vorallem nicht mein Humor.
Satire, transfeindlichkeit
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Juvenals Irrtum. - Schwer, eine Satire zu schreiben. Nicht bloß weil der Zustand, der ihrer mehr bedürfte als je einer, allen Spottes spottet. Das Mittel der Ironie selber ist in Widerspruch zur Wahrheit geraten. Ironie überführt das Objekt, indem sie es hinstellt, als was es sich gibt, und ohne Urteil, gleichsam unter Aussparung des betrachtenden Subjekts, an seinem Ansichsein mißt. Das Negative trifft sie dadurch, daß sie das Positive mit seinem eigenen Anspruch auf Positivität konfrontiert. Sie hebt sich auf, sobald sie das auslegende Wort hinzufügt. Dabei setzt sie die Idee des Selbstverständlichen, ursprünglich der gesellschaftlichen Resonanz voraus. Nur wo ein zwingender Consensus der Subjekte angenommen wird, ist subjektive Reflexion, der Vollzug des begrifflichen Akts überflüssig. Der bedarf des Beweises nicht, welcher die Lacher auf seiner Seite hat. Historisch hat demzufolge die Satire über Jahrtausende, bis zum Voltaireschen Zeitalter, gern mit Stärkeren es gehalten, auf die Verlaß war, mit Autorität. Meist agierte sie für ältere, durch jüngere Stufen der Aufklärung bedrohte Schichten, die mit auf geklärten Mitteln ihren Traditionalismus zu stützen suchten: ihr unverwüstlicher Gegenstand war der Verfall von Sitten. Darum präsentiert sich, was einmal als Florett fuchtelte, den Nachgeborenen durchweg als plumper Knüppel. Doppelzüngige Vergeistigung der Erscheinung will allemal den Satiriker amüsant, auf der Höhe des Fortschritts zeigen; der Maßstab aber ist der je vom Fortschritt gefährdete, der doch soweit als geltende Ideologie vorausgesetzt bleibt, daß das aus der Art geschlagene Phänomen verworfen wird, ohne daß ihm die Gerechtigkeit rationaler Verhandlung widerführe. Die Aristophanische Komödie, in der die Zote die Unzucht bloßstellen soll, rechnete als modernistische laudatio temporis acti auf den Pöbel, den sie verleumdete. Mit dem Sieg der Bürgerklasse in der christlichen Ära hat dann die Funktion der Ironie sich gelockert. Sie ist zuzeiten zu den Unterdrückten übergelaufen, besonders wo sie es in Wahrheit schon nicht mehr waren. Freilich hat sie, als Gefangene der eigenen Form, des autoritären Erbes, der einspruchslosen Hämischkeit nie ganz sich entäußert. Erst mit dem bürgerlichen Verfall hat sie zum Appell an Ideen von Menschheit sich sublimiert, die keine Versöhnung mit dem Bestehenden und seinem Bewußtsein mehr duldeten. Aber sogar zu diesen Ideen zählte Selbstverständlichkeit: kein Zweifel an der objektiv-unmittelbaren Evidenz kam auf; kein Witz von Karl Kraus zaudert in der Entscheidung darüber, wer anständig und wer ein Schurke, was Geist und was Dummheit, was Sprache und was Zeitung sei. Solcher Geistesgegenwart verdanken seine Sätze ihre Gewalt. Wie sie, im blitzschnellen Bewußtsein des Sachverhalts, mit keiner Frage sich aufhalten, so lassen sie keine Frage zu. Je emphatischer jedoch die Kraussche Prosa ihren Humanismus als invariant setzt, um so mehr nimmt sie restaurative Züge an. Sie verdammt Korruption und Dekadenz, den Literaten und den Futuristen, ohne vor den Zeloten geistigen Naturstandes etwas anderes vorauszuhaben als die Erkenntnis von deren Schlechtigkeit. Daß am Ende die Intransigenz gegen Hitler nachgiebig gegen Schuschnigg sich zeigte, bezeugt nicht Schwäche des Tapferen, sondern die Antinomie der Satire. Diese braucht, woran sie sich halten kann, und der den Nörgler sich nannte, beugt sich ihrer Positivität. Noch die Denunziation des Schmocks enthält, neben ihrer Wahrheit, dem kritischen Element, etwas von dem common sense, der nicht leiden kann, daß einer so geschwollen daherredet. Der Haß gegen den, der mehr scheinen möchte als er ist, legt ihn aufs Faktum seiner Beschaffenheit fest. Die Unbestechlichkeit gegenüber dem Gemachten, der uneingelösten und zugleich kommerziell ausgespitzten Prätention des Geistes, demaskiert die, welchen es mißlang, dem gleichzuwerden, was als Höheres ihnen vor Augen steht. Dies Höhere ist Macht und Erfolg und offenbart sich durch die verpfuschte Identifikation selber als Lüge. Aber es verkörpert dem Faiseur stets zugleich die Utopie: noch die falschen Brillanten strahlen vom ohnmächtigen Kindertraum, und dieser wird mitverdammt, weil er scheiterte, selber gleichsam vors Forum des Erfolgs zitiert. Alle Satire ist blind gegen die Kräfte, die im Zerfall freiwerden. Daher hat denn der vollendete Verfall die Kräfte der Satire an sich gezogen. Der Spott der Führer des Dritten Reichs über Emigranten und liberale Staatsmänner, dessen Gewalt einzig noch die brachiale ist, war der letzte. Schuld an der Unmöglichkeit von Satire heute hat nicht, wie Sentimentalität es will, der Relativismus der Werte, die Abwesenheit verbindlicher Normen. Sondern Einverständnis selber, das formale Apriori der Ironie, ist zum inhaltlich universalen Einverständnis geworden. Als solches wäre es der einzig würdige Gegenstand von Ironie und entzieht ihr zugleich den Boden. Ihr Medium, die Differenz zwischen Ideologie und Wirklichkeit, ist geschwunden. Jene resigniert zur Bestätigung der Wirklichkeit durch deren bloße Verdopplung. Ironie drückte aus: das behauptet es zu sein, so aber ist es; heute jedoch beruft die Welt noch in der radikalen Lüge sich darauf, daß es eben so sei, und solcher einfache Befund koinzidiert ihr mit dem Guten. Kein Spalt im Fels des Bestehenden, an dem der Griff des Ironikers sich zu halten vermöchte. Dem Stürzenden schallt das Hohngelächter des tückischen Objekts nach, das ihn entmächtigte. Der Gestus des begriffslosen So ist es ist genau der, den die Welt einem jeglichen ihrer Opfer zukehrt, und das transzendentale Einverständnis, das der Ironie innewohnt, wird lächerlich vor dem realen derer, die sie zu attackieren hätte. Gegen den blutigen Ernst der totalen Gesellschaft, die ihre Gegeninstanz eingezogen hat als den hilflosen Einspruch, den ehedem Ironie niederschlug, steht einzig noch der blutige Ernst, die begriffene Wahrheit.“
https://www.emma.de/artikel/viele-geschlechter-das-ist-unfug-339689
Gruß vom Küchenpersonal⁸ aus dem Bebenhausener Asyl für Obdachlose¹⁸ Intellektuelle⁸³:
Theodor W. Adorno, Minima moralia:
8. Wenn dich die bösen Buben locken
https://copyriot.com/sinistra/reading/agnado/minima.html#chapter_10
18. Asyl für Obdachlose
https://copyriot.com/sinistra/reading/agnado/minima.html#chapter_20
83. Vizepräsident
https://copyriot.com/sinistra/reading/agnado/minima.html#chapter_86
134. Juvenals Irrtum
Theodor W. Adorno, Minima moralia https://copyriot.com/sinistra/reading/agnado/minima.html#chapter_138