„Einleitung - Die Geschichte des autonomen Subjektes scheint auserzählt. Diese Dia- gnose ist alles andere als neu. Vielmehr stand sie doch im Zentrum jener Denkbewegungen, die gerne unter dem Begriff der Postmoderne subsumiert werden. So verkündete Foucault bereits vor Jahrzehnten das Ende des Men- schen (1997): Statt das Subjekt als Quell von Handlung, Kommunikation und sozialer Verhältnisse zu begreifen, wurde danach gefragt, wie Praktiken und Diskurse ihre Subjekte hervorbringen. Es gehört heute zum Gemeinplatz kri- tischer Kultur- und Sozialwissenschaften, heroische Subjekte zu dekonstru- ieren und diese als Ausdruck eines neoliberalen Denkens zu dechiffrieren, welches Individuen zu responsibilisieren trachtet.
Die Verabschiedung der Idee des autonomen Subjekts ist jedoch weder an eine spezifische Theorietradition gebunden, noch lässt sie sich holzschnittar- tig einem Spektrum politischen Denkens zuordnen. Auch Luhmann, der eher als konservativer Theoretiker gilt, hat die Flucht ins Subjekt als Erbe und Symptom eines alteuropäischen Denkens betrachtet, als semantisches Erbe des Humanismus, das längst überwunden sein könnte (1997, 1016ff.). Eine sich selbst normativ bestimmende Entität, die das eigene Selbst und die Ge- sellschaft mit den Mitteln der Vernunft gestaltet – sie hat in den zeitgenössi- schen Theorieströmungen kaum mehr Platz. Diese Diskurse blieben gleich- wohl von bescheidener gesellschaftlicher Wirkmächtigkeit, da einerseits ihre Zirkulation auf spezifische akademische Kontexte und Publika begrenzt ist und sie andererseits einer gesellschaftlichen Alltagserfahrung zu widerspre- chen scheinen, in der – ganz unproblematisch – Handlungen auf Subjekte zugerechnet werden. ...“